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Der 28. Honberg-Sommer 2024

Nach dem Wetterglück im Vorjahr setzt der “Sommer” 2024 leider fort, was das verregnet-kühle Frühjahr erahnen ließ: der Sommer will nicht wirklich in Gang kommen, es bleibt wechselhaft. Immerhin: während des Honberg-Sommers besinnt sich das Wetter. Dem Festival scheint gleich zum Auftakt (nach trüb-regnerischen Tagen und Wochen zuvor) die Sonne. Der Fassanstich erweist sich dennoch eher als Auslaufmodell denn als Quotenbringer, obwohl in letzter Minute noch eine Liveübertragung des EM-Viertelfinales gegen Spanien sichergestellt wird. In der Folge bleibt’s meist trocken, in der zweiten Woche sogar endlich richtig sommerlich. Weil’s zwei Mal zu Beginn aber ordentlich schüttet, gehören Matsch und Holzhackschnitzel zum Bild der ersten Festivalwoche. Für die Gastronomie, die an allen Tagen mit freundlichem Personal, guten Angeboten und fairen Preisen einen wirklich hervorragenden und engagierten Job abliefert, natürlich kein Vorteil.

Was nach dem bierseligen Auftakt an weiteren 16 Festivaltagen folgt, darf man getrost als eine Fortsetzung der Erfolgsgeschichte des Tuttlinger Festivals bezeichnen:  zum Besuchermagneten wird gleich das Auftaktwochenende mit Stammgast Doro, Schiller und der Berg-Premiere von Kissin’ Dynamite, die eine derart energiegeladene Show abfeuern und ein so euphorisiertes Publikum hinterlassen, wie es der Honberg an einem Sonntagabend wohl noch nicht erlebt hat. Starke Frauen (Candy Dulfer, Joy Denalane, Martina Schwarzmann) und ein wahnwitzig-virtuoses Orchester samt Burlesque-Einlage prägen die erste Festivalwoche, während in der zweiten die “Legenden”  (Manfred Mann’s Earth Band, Matthias Reim) und zum Abschluss drei jüngere Themen dran sind. Und vor allem die Konzerte von Kaffkiez (war die Luft im Zelt je dünner, der Moshpit je wilder?) und der Festival-Überraschung schlechthin, Alexander Eder, und der berauschende Abschlussgig von Faber, der mit seinem SetUp der Zeltbühne wirklich alles abverlangte, zeigten, dass der Honberg auch fürs Nachwuchspublikum Großartiges bietet. Dass gleich zwei Wiedereinladungen nach nur einem Jahr ausgesprochen wurden, bereuen die Festivalmacher nur mit Blick auf die Besucherzahl: was Kelvin Jones und Gregor Hägele aber im Zelt abliefern, rechtfertigt die Entscheidung allemal. Und auch der einzige Schreckmoment des Festivals, als eine Besucherin mit Kreislaufbeschwerden umkippt, geht dank schneller Reaktion des Künstlers und beherzten Eingreifens des DRK glimpflich ab … unterm Strich also ein rundum gelungenes Festival, das schon Laune auf die nächste Auflage macht. Dann war da noch ein Comeback, über das wir uns sehr gefreut haben: nach einigen Jahren Abstinenz (für die größten Sportereignisse oder die große Politik) hat auch Michael Kienzler dieses Jahr wieder einige Fotos zur Galerie beigesteuert. Welcome back!

05. Juli
DORO, Special GuestS: SKYEYE

W.O.A. Wacken zu eröffnen ist das eine, das Auftaktkonzert zum Honberg-Sommer zu spielen das andere. Letzteres steht dem Kult-Metalfestival zumindest stimmungsmäßig in nichts nach. Beides kann Metal Queen Doro Pesch bestätigen. Ehe die Düsseldorferin auf die Bühne geht, darf Opener Skyeye aus Slowenien das Publikum im ausverkauften Rund anheizen – und wie sie das tun! Man darf gespannt sein, wie es mit dieser Band weitergeht. Dann aber Doro: ein Auftritt, der keine Wünsche offen lässt! Was Doro und ihre exzellente Band da zum 40. Bühnengeburtstag abfeuern, ist hart, aber herzlich, mit reichlich Pathos und einer Menge Wir-Gefühl, nicht nur, als sie ihre Power-Ballade “Für immer” dem verunglückten Festivalmitarbeiter Andreas widmet – einer von vielen Gänsehautmomenten. Und schließlich: wer Judas Priests „Breaking the Law“ covert, der traut sich was. Doro kann auch das …

Fotos (c) Paul und Tine Bossenmaier, Patrick Nädele

06. Juli
SCHILLER

Fürs Auge bietet der Auftritt von Schiller – im Gegensatz zu seinem Honberg-Debüt anno 2008 mit riesiger Videowall, Band, perfekt designter High-End-Light- und Lasershow und gleich zwei Sängerinnen – wenig, für die Ohren umso mehr. In der Bühnenmitte thront anfangs Christopher von Deylen ganz hinter einer “Burg” aus Synthesizern, Tasteninstrumenten und Effektgeräten und reizt die Möglichkeiten der digitalen Musik voll aus, nicht selten mit dem Rücken zum Publikum im vollen Zelt. Der Elektronik-Romantiker, der im vergangenen Jahr das Jubiläum des 25-jährigen Bestehens seines Projekts Schiller feierte, verzichtet bei der “Sommerlust”-Tour auf das große Besteck, während draußen der Regen prasselt.  Umso mehr wirken die hypnotischen Soundscapes – bei aktuellen Stücken, aber auch bei den frühen Hits von Schiller. “Ambient-Pop” nannte von Deylen seinen Klangkosmos  aus ausgefeilten Soundlandschaften und sphärisch-schönen Melodien einmal. Das passt – und kommt bei den Fans im Honberg-Zelt blendend an.

Fotos (c) Patrick Nädele, Michael Schaefer

07. Juli
KISSIN’ DYNAMITE, SUPPORT: DARK SKY

Ein gutes Pflaster für Hardrock und Metal ist Tuttlingen seit jeher. Wer noch die Alte Festhalle kennt, weiß davon ein Lied zu singen. Dorthin und in die Hochzeit des Genres in den 1970er und 1980er Jahren fühlt man sich beim Konzert von Kissin‘ Dynamite aus Burladingen und Münsingen fast zwangsläufig hin versetzt, dabei waren die Mitglieder der Band da noch lange nicht geboren. Von einer „Musik …, die zwar auf harte Gitarren setzte, im Kern aber sehr melodisch und eingängig ausfiel“ und von einer „traditionsbewussten Show“, bei der „Publikumsnähe Pflicht“ war, spricht denn auch Stefan Rother im Kulturteil der Schwäbischen in seiner Konzertkritik. Die 2006 als Schülerband gegründete Formation, die ihr brandneues Album „Back with a Bang!“ vorstellt, lässt ebenso keine Wünsche bei den 1.200 euphorisierten Fans im Zelt offen wie Dark Sky aus Rottweil, die den Abend eröffnen.

Fotos (c) Paul & Tine Bossenmaier, Patrick Nädele

08. Juli
ROCK4 & THE CAST, DIE A CAPPELLA NACHT

Und wieder ausverkauft … die A Cappella Nacht ist einfach ein Quotenbringer auf dem Honberg und hat ihre angestammte Fangemeinde. So auch in diesem Jahr: Dabei mutet die Programmplanung den Zuschauern diesmal zwei komplett gegensätzliche Programmhälften zu. Darf man The Cast, die den ersten Programmteil bestreiten, überhaupt als A Cappella Act bezeichnen? Schließlich steht ein Klavier auf der Bühne und die international besetzte Truppe macht ein Programm, in dem zwar viel gesungen (und parodiert) wird, das aber auch als Musikcomedy durchginge.Die “Rockstars der Oper” “ servieren seriösen Operngesang als unterhaltsamen Spaß und verrocken die „heiligen Arien“ abseits von steifen Klischees. Am Ende des gut einstündigen Sets gibt’s reichlich freundlichen Applaus. Frenetisch gefeiert wird dann die zweite Band des Abends nach der Pause: Rock4 mit Miklós Németh (Bass), Lucas Blommers (Tenor), Phillip Schröter (Bariton) und Lead Sänger Luc Devens interpretieren bekannte Pop- und Rock-Songs. Mal rockig, mal leise und gefühlvoll reißen sie mit Songs der Beatles, von Queen, Genesis, Adele oder Led Zeppelin das Publikum immer wieder zu Beifallsstürmen hin. Prädikat: Weltklasse!

Fotos (c) Michael Kienzler, Michael Schaefer

09. Juli
MARTINA SCHWARZMANN

Am 15. Juli 2014 war sie zuletzt auf dem Berg. Damals wie heute: ein Sommerabend wie gemalt und restlos ausverkauft! Martina Schwarzmann war, ist und bleibt ein Publikumsliebling. Sehr bairisch, sehr lustig, sehr redefreudig präsentiert sich die Musikkabarettistin aus Überacker mit ihren skurrilen Alltagsgeschichten auch im neuen Programm “Ganz einfach”. Die gelernte Köchin, vierfache Mutter und Bio-Landwirtin beschert den Besuchern, die sie frenetisch feiern, einen rasant-kurzweiligen Abend mit Geschichten und Liedern, die meist ganz persönlich, autobiografisch, oft lebensbejahend und manchmal gar philosophisch daherkommen. Da wächst grüner Weizen aus dem Winterstiefel, da wird trefflich parodiert, wenn’s um die Stammtischbrüder vom Stehtisch in der Bäckerei geht, der pragmatische Umgang mit dem Tod zelebriert und sogar der “plattgfahr‘ne zamm‘trocknete Frosch” besungen. „Ich bin mittelschön, mittelgescheit, mittelalt wia die meistn Leit”, so der Titel eines ihrer Stücke. Dieser Abend war aber nicht mittel, sondern voll lustig!

Fotos (c) Patrick Nädele, Michael Schaefer

10. Juli
HONBERG-VARIETÉ “The Meditation – Die Jubiläums-Absolventenshow”

Sie sind wieder da! Die Absolventen der Staatlichen Artistenschule Berlin sorgen – nach einem Jahr Pause vom Tuttlinger Publikum wieder herzlich willkommen geheißen – für einen ausverkauften Abend! Mit ihrer Jubiläumsshow „The Meditation– Eine Reise durch das Unterbewusstsein“, bei der auch Schüler jüngerer Jahrgänge und Gäste aus Kanada mitwirken, begeistern sie das Publikum mit einem Programm, in dem meditative Tanzszenen und dynamische Akrobatik sich abwechseln. Das Zelt mutiert zum Zirkuszelt, die Besucher staunen: Reichlich Kostümwechsel, enorme Körperbeherrschung, Tanztrapez, Strapaten, Cyr-Wheel, Jonglage, Diabolos, der chinesische Mast, Jonglage, die passende Musikuntermalung, selbst die Umbauten zwischen den Nummern sind geschickt dramaturgisch eingebunden. Und am Ende: Standing ovations! Was will man mehr?

 

Fotos (c) Michael Schaefer

11. Juli
MOKA EFTI ORCHESTRA

Ist die 7 eine Glückszahl? So ein bisschen schon, denn der angekündigte Regen lässt sich fast bis zum Ende des Konzerts des grandiosen Moka Efi Orchestras Zeit. Das eigentliche (Sound-)Gewitter bricht deutlich früher übers zahlenmäßig leider eher enttäuschende Publikum herein: was die Band um Pianist Nikko Weidemann und Gitarrist Mario Kamien abliefert, ist virtuos, mitreißend, einfach Atem beraubend! Das wilde, dreckige, glamouröse und feierwütige Lebensgefühl des Berlins von 1929 lebt im Honbergzelt auf. Blues, Klavier-Ragtime, Chansons und opulenten Charleston-Nummern bringt die 14-köpfige Band hinter der Musik von „Babylon Berlin“ u.a. mit Unterstützung von Mitgliedern aus Gundelfingen, Schwäbisch Hall und Stockach und mit Sänger(in) Madame Le Pustra, der in der 4. Staffel der Serie zu sehen war, stilecht für die knapp 450 Zuhörer auf die Bühne. Ein virtuoser Musikgenuss, der in den Ohren der Besucherinnen und Besucher noch lange nachhallt.

Fotos (c) Patrick Nädele, Michael Schaefer

12. Juli
CANDY DULFER

Lange mussten die Fans nach ihren drei Auftritten 1996, 1998 und 2000 auf sie warten, jetzt endlich das Comeback von Candy Dulfer. Und ihr Auftritt gerät nicht nur zu einem einzigen musikalischen Feuerwerk, sondern auch ein bisschen zu einer Liebeserklärung an den Honberg-Sommer: „I missed this tent … und die Leute darin“, bekennt die formidable Entertainerin schon nach dem ersten Stück in ihrer charmanten, englisch-deutschen Sprachmelange. Die Niederländerin unterstreicht mit dem knapp zweistündigen Auftritt der “We Funk Harder”-Tour vor 1.100 Fans, was sie zu einer der begehrtesten Saxophonistinnen der Welt machte und ihr den Weg zur Zusammenarbeit mit einigen der Größten der internationalen Musikwelt ebnete. Die perfekt eingespielte Band mit den beiden Sängern Ivan Peroti und Camilo Rodriguez tat ein übriges. Der wahrscheinlich bewegendste Moment des Konzerts: als Candy ihren Klassiker “Lily Was Here” – schon als zweites Stück des Abends – nicht nur ihrem Publikum, sondern besonders dem verstorbenen Festivalcrew-Mitglied Andreas widmet, den sie bereits 1996 bei ihrem ersten Auftritt kennen gelernt hatte. Der Rest des Abends ist Party!

Fotos (c) Paul und Tine Bossenmaier, Patrick Nädele

13. Juli
THE LEAGUE OF FOLK feat. D’ArtagnAn, Mr Irish Bastard & Rauhbein

Die “Schwarze Nacht”, sonst traditionell den Anhängern des Mittelalterrocks vorbehalten, kommt anno 2024 mit gleich drei Bands stark Folkrock lastig daher. Die Gemeinde nimmt’s nicht übel, einzig am Fehlen der ganz aufwändigen Kostüme und der Trinkhörner kann man es ablesen. Als idealer Opener erweist sich Rauhbein:  die hessische Folk-Rock-Band versteht es mit ihrem charismatischen Frontsänger Henry Rauhbein und Titeln wie “Herz eines Kriegers”oder “Feier frei” ordentlich Stimmung im Honbergzelt zu machen – und auch der Humor kommt nicht zu kurz, wenn Rauhbein ABBAs “Dancing Queen” covern. Das wilde Fest im Zelt geht mit Mr Irish Bastard aus Münster weiter: Die siebenköpfige Irish-Folk-Punk-Band, musikalisch irgendwo zwischen The Pogues und traditionellem Irish Folk verortet, erhält nicht nur für die Zugabe „I Hope They Sell Beer In Hell“ großen Applaus. Dann der Abschluss einer langen Konzertnacht machen D’Artagnan, die natürlich kräftig die Werbetrommel für ihr neues Album “Herzblut”, das am Vortag des Konzert erschien, rühren. Mit geradlinigen Melodien, immenser Spielfreude und einem unverwechselbaren Sound gelten die Nürnberger um Frontsänger Ben Metzner längst nicht mehr “nur” als Mantel und Degen-Rocker, sondern als Schrittmacher der Folkrockszene. Energie, Emotion und Eskapismus – darauf setzen D’Artagnan! Und die wilde Mischung zündet bis das Konzert pünktlich um 23 Uhr zu Ende geht und 1.000 beglückte Besucher nach Hause ziehen.

Fotos (c) Michael Schaefer

14. Juli
JOY DENALANE

Nahe an der Perfektion bewegt sich das eigens fürs EM-Finale auf 18 Uhr vorgezogene Konzert von Joy Denalane. Die Berliner Soul-Sängerin präsentiert auf ihrer “Willpower”-Tournee in Tuttlingen nicht nur Songs von ihrem neuen Album , sondern zeigt ihre ganze musikalische Bandbreite – und bringt sogar eine bemerkenswerte Coverversion von Peter Maffays “So bist Du”. Ganz nebenbei rührt sie immer wieder kräftig die Werbetrommel für die anstehende Herbsttour mit Ehemann Max Herre und streut reichlich Geschichten aus ihrer bisherigen Karriere ein. Überhaupt gerät der Abend zu einer durchaus faszinierenden Retrospektive mit Songs aller Alben der Sängerin, angefangen mit “Mamani” von 2002. Einziger Wermutstropfen: Leider finden sich nur knapp 500 Besucher im Zeltrund ein (1:0 für König Fußball). Mit “Alles leuchtet” geht das Konzert nach knapp 100 Minuten zu Ende. Zurück bleibt ein rundum beglücktes Publikum.

Fotos (c) Michael Kienzler, Patrick Nädele

15. Juli
KELVIN JONES, 2ND Act: GREGOR HÄGELE

Ein Abend, zwei Künstler. Und der erste, der auf die Bühne geht, überzeugt gleich voll: Gregor Hägele, im Vorjahr noch spontan zu einem Biergartengig auf dem Honberg bereit, beweist, warum er es völlig zurecht 2017 bei “The Voice of Germany” bis ins Halbfinale schaffte und dass mit ihm auch in Zukunft zu rechnen ist. Mit der neuen Single “Fühlst du das auch” nimmt er mit seiner Band das Publikum ebenso mit, wie mit einem Medley von Coversongs als Zugabe. 45 Konzertminuten, die in guter Erinnerung bleiben. Kelvin Jones, 14 Stunden vor seinem Auftritt noch in Harare/Simbabwe, liefert im Anschluss einen schweißtreibenden, energiegeladenen und mitreißenden Gig ab. Das Credo des simbabwisch-britischen Singer-Songwriters: Jeder Abend soll anders, soll etwas Besonderes werden, zu viel Perfektion langweilt! So spielt er das Konzert mit seiner Band ohne Setlist, improvisiert, tanzt, geht ins Publikum, mit dem zusammen er die Magie des Abends sucht … und findet! Und das nicht erst als Hägele zu “Call you home” nochmals auf die Bühne kommt oder bei der wunderschönen Version von “Let it be”, die 700 lauthals mitsingen. Es ist ein Abend, an dem auch nachdenkliche, leise Töne Raum haben und an dem Jones nicht nur einmal betont, wie wohl er sich im Honbergzelt fühlt: “It’s like coming home.” Da ist allen warm ums Herz auf dem Nachhauseweg, auch wenn am Ende eines heißen Tages der Regen zurückgekehrt ist.

Fotos (c) Paul und Tine Bossenmaier, Patrick Nädele, Michael Schaefer

16. Juli
MANFRED MANN’S EARTH BAND

Im Oktober feiert er seinen 84. Geburtstag, im Juli steht ein erstaunlich vitaler und sichtbar bestens gelaunter Manfred Mann hinter den Keyboards auf der Honbergbühne (und tritt sogar einmal für ein Duett mit Sänger Robert Hart hinter selbigen hervor). Das gut 100-minütige Konzert wird an diesem strahlend schönen Sommertag, wie nicht anders zu erwarten, zu einem Medley der größten Hits der Band. Die (dank Sunshine Tickets) gut 1.400 Besucher im und ums ausverkaufte Zelt gehen bei Titeln wie “For You”, “Blinded by the Light” oder “Davy`s on the Road Again” begeistert mit und staunen über (für manchen vielleicht zu) ausufernde Soli von Gitarrist Mick Rogers und seinen Mitstreitern. Ein Abend, um in Erinnerungen zu schwelgen – nicht nur, als die erste Zugabe (“Do wah diddy diddy”) das Publikum zurück ins Jahr 1964 entführt, in eine Zeit vor 60 (!) Jahren, als die Earth Band noch nicht existierte und Manfred Mann unter eigenem Namen diesen Hit landete. Und doch: ein bisschen hat dieser sechste Auftritt der legendären Earth Band ein wenig von Abschied. Auf Wiedersehen, Manfred?

Fotos (c) Paul und Tine Bossenmaier

18 Juli
MATTHIAS REIM

Er war wieder da, und wie: Matthias Reim! Der Wahl-Stockacher liefert zwei Jahre nach seinem jüngsten Honberg-Sommer-Gastspiel auch in diesem Jahr ab: Der Schlager- und Deutschrock-Star enttäuscht seine Fans nicht und heizt ihnen mehr als zwei Stunden lang mächtig ein. An Song-, besser gesagt Hitmaterial mangelt es Reim schließlich nicht. Und so beginnt das Konzert, wie andere Künstler ihre Konzerte gerne beenden: mit einem Hit-Medley. Für die Stimmung im Zelt, das schon Monaten zuvor restlos ausverkauft war, hieß das: Stimmung von der ersten Sekunde an! Und die reißt auch im Lauf des Abends nie ab, präsentieren „Matze“ Reim und seine Band den fast 1.400 Zuschauern doch einen klug aufgebauten Mix aus Gassenhauern und gefühlvollen Balladen – bis hin zum finalen „Verdammt, ich lieb‘ Dich“. Und da die Reim-Family, wie sie sich bei Instagram gemeinsam präsentiert, noch mehr als „nur“ Matthias zu bieten hat, fehlten an diesem Abend auch Sohn Julian („Euphorie“) und Ehefrau Christin („Lass mich gehen“) nicht, stark!

Fotos (c) Paul und Tine Bossenmaier

19. Juli
KAFFKIEZ, Support: RAHEl

Das definitiv heißeste Konzert des Jahres liefern Kaffkiez ab: die Band aus Rosenheim lässt zu Beginn den imaginären Sonderzug auf Gleis 1A am Bahnhof Tuttlingen einrollen und verspricht eine Weiterfahrt bis zur “Endstation Ekstase” – und das Versprechen lösen die fünf Jungs mit ihrem Indie-Pop-Rock und den frechen deutschen Texten auch von der ersten Minute an ein, feuern mit “Alles nur gelogen” gleich mal einen Kracher ab, der den eher bemüht wirkenden Gig von Support Rahel schnell vergessen macht. Der Auftritt von Kaffkiez wird zur schweißtreibenden Angelegenheit und erinnert an eine große, wilde Party, bei der über 1.200 Fans ausgelassen tanzen und abfeiern. Moshpit im Zelt, Sommerhitze draußen – ein perfekter Abend fürs zumeist junge Publikum. “Und ich sag 1, 2, 3, 4, ich bin gar nicht frustriert / Und ich sag 5, 6, 7, 8, bin nie alleine in der Nacht”, noch als sich die Band von der Bühne verabschiedet hat, klingt der Chor des Tuttlinger Publikums nach … selten war die Wiedersehensfreude greifbarer als hier.

Fotos (c) Patrick Nädele, Michael Schaefer

20. Juli
ALEXANDER EDER 

Hoppla! Eine derart energiegeladene Show hat auch das Honbergzelt selten erlebt: wer vermutet hatte, dass es stimmungsmäßig nach dem Partykonzert von Kaffkiez nicht mehr bergauf gehen könnte, den belehrte der 25-jährige Niederösterreicher mit der markanten tiefen Stimme eines Besseren. Ständig in Bewegung, mit reichlich Pyrotechnik, Rauch- und Konfettikanonen feuerte er eine Salve nach der anderen auf die gut 900 Zuschauer ab – und die zündeten alle! “Nicht ganz normal” hatte der Tourtitel versprochen und das Versprechen löst Alexander Eder in den über 120 Konzertminuten ein. Und dann, zur letzten Zugabe “Für diesen Moment”, gibt’s für die zahlreichen Mädchen und Frauen im  Publikum auch noch was für die Augen, als er seinen durchtrainierten Oberkörper präsentiert. Im Anschluss nimmt sich Alexander dann noch jede Menge Zeit für seine Fans: Am Merch-Stand erfüllt er für weit mehr als eine Stunde geduldig und sympathisch-nahbar alle Autogramm- und Selfiewünsche.

Fotos (c) Michael Kienzler, Janina Kummerländer, Patrick Nädele

21. Juli
FABER

Heißt es nicht, das Beste käme zum Schluss? Ein Festivalfinale der Extraklasse und einen künstlerischen Höhepunkt beschert am Sonntagabend Julian Pollina aka. Faber dem Festival 2024. Mit seiner exzellenten Band, erstmals erweitert um Gina Été (Gesang, Viola), Hannah Adriana Müller (Gesang, Violine), Dino Brandao (Gesang, Gitarre, Perkussion) und Mel D (Gesang, Gitarre), arbeitet er sich durch eine Setlist aus 23 (!) Stücken,  eine “schwierige und ewig lange Show” (Faber), stilistische Brüche und extreme Tempiwechsel inklusive. Dass der 31-jährige Zürcher nicht ganz gesund auf die Bühne ging (“Ihr tragt mich durch den Abend!”), hätte wohl kaum einer bemerkt angesichts des kraftvoll-dynamischen Auftritts, bei dem sich der Sänger und Musiker komplett verausgabt. Die Textsicherheit der Fans beeindruckt v.a. zum Ende des Programms bei Stücken wie “Generation YouPorn”, “Tausendfrankenlang” oder “Vivaldi”. Faber erreicht die Leute mit diesen Songs, die steil gehen, ebenso wie mit den ruhigeren, manchmal sogar sperrigen Passagen des Abends. Nach 23 Uhr klingt der Honberg-Sommer dann mit einer berührenden Akustik-Performance, die die Band mitten im Publikum spielt, aus. Ein mehr als würdiger Abschluss.

Fotos (c) Janina Kummerländer, Michael Schaefer