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Kein Honberg-Sommer, aber endlich wieder live

Juli 2021. Die Pandemie bestimmt nach wie vor den Lebensalltag der Menschen weltweit – und sorgt dafür, dass ein „echter“ Honberg-Sommer mit Biergarten, Rahmenprogrammen, Kinderprogramm, Frühschoppen und mehr weiterhin nicht stattfinden kann. Erlaubt werden in Baden-Württemberg für den Sommer aber kleinere Open Air-Veranstaltungen bis 500 Personen, wenn auch mit Corona geschuldeten Einschränkungen wie einem abgeschlossenen Veranstaltungsgelände, das nur mit Eintrittskarte und unter Beachtung der „Drei-G-Regel (getestet, geimpft, genesen)“ betreten werden darf. Die Tuttlinger Halle reagieren und entwickeln kurzfristig das HOpe’n’Air21 mit zehn Veranstaltungsabenden. „Wir möchten dabei sein, wenn die Veranstaltungsbranche im Sommer wieder aus ihrem Dornröschenschlaf erwacht“, wird Geschäftsführer Michael Baur im Gränzboten zitiert. Für Tuttlingen heißt das: Der (Kultur-)Sommer kann kommen!

Und das zehntägige Open Air wird mit 4.000 Besuchern und drei restlos ausverkauften Abenden ein Erfolg, auch weil der ansonsten ziemlich nasse Sommer 2021 pünktlich zum Beginn eine zehntägige Regenpause einlegt: die Freude am Neu-Start des Kulturlebens in der Donaustadt steht den Besucherinnen und Besuchern förmlich ins Gesicht geschrieben. Die kleinere Alternative zum Honberg-Sommer, die doch ein ganz eigenständiges Event ist, kommt an und schenkt den Menschen auch wieder ein Stück Normalität nach entbehrungsreichen Monaten. Auch der Gastropartner, die HoSo Gastro GmbH (noch ahnt niemand, dass es deren letztes Engagement auf dem Honberg sein wird) liefert ab: Angeboten wird, was (und wie!) es unter den Gegebenheiten eben möglich ist an mehreren Ständen und Stehtischen – immer mit Abstand. So funktioniert das HOpe’n’Air21 und schenkt einen Lichtblick nach einer sehr langen Zeit ohne Kultur und Events. Livekultur, das zeigt sich einmal mehr, ist schließlich ein elementarer Bestandteil menschlichen Zusammenseins. Und gerade in Zeiten wie diesen unersetzlich …

16. Juli
NILS STRASSBuRG & THE ROLL AGENTS „ELVIS – THE RETURN OF THE KING“ 

Nach vielen grauen Regenwochen lacht die Sonne zum Auftakt ins „etwas andere“ Festivaljahr 2021, das mit keinem Geringeren als dem King of Rock’n’Roll eröffnet. Elvis imitieren? Da kann man auch mächtig verlieren. Grund genug, den zu holen, über den die Stuttgarter Zeitung schon schrieb „Das Beste, was Deutschland zu bieten hat!“ Und tatsächlich gelingt Nils Strassburg eine leidenschaftliche Hommage, weit entfernt von Peinlichkeit oder Anbiederung. Die Show mit seiner exzellenten Band entführt die Zuschauer tatsächlich, gefühlt, in die „1968er Comeback Show“ und in die legendäre Las Vegas Show des Kings und bietet (fast) das Erlebnis eines Konzerts von Elvis Presley. Auf der Bühne knistert die Energie. Die Show lässt nach zwei Stunden ein rundum begeistertes Publikum zurück. Die Veranstalter legen angesichts einiger freier Reihen die Stirn in Sorgenfalten.

Fotos (c) Corinna Addicks

17. Juli
LARS REICHOW „ICH!“ 

Der zweite Festivalabend bringt mit Lars Reichow ein Multitalent auf die Bühne: er ist Kabarettist, Pianist, Komponist, Sänger, Fernsehmoderator und Entertainer. Ach ja, und Gewinner der „Tuttlinger Krähe“ ist der Mainzer auch, der nach Auftritten auf der „Bühne im Anger“ seine Honberg-Premiere feiert. Der Regen macht immerhin während seines Auftritts Pause. Die Stimmung unter den rund 250 Gästen leidet dennoch etwas unter dem nass-kühlen Wetter. Dafür zündet Reichows musikalisch-kabarettistischer Vergnügungskurs für den Umgang mit Selbstgefälligkeit und Selbstverliebtheit unter den Menschen! „Wir müssen lernen, mehr über uns selbst zu lachen und uns nicht so wichtig zu nehmen“, sagt er – und führt vor, wie das geht. Grandioses Musikkabarett von einem echten Könner!

Fotos (c) Janika Mägerle

18. Juli
MEDLZ „LÄUFT BEI UNS“ – DIE A CAPPELLA NACHT

Der erste ausverkaufte Abend beim HOpe’n’Air21! Mit ihrem Programm „Läuft bei uns“ bringen die vier Powerfrauen den Honberg zum Kochen. Da fällt es überhaupt nicht ins Gewicht, dass Ex-No Angel Nadja Benaissa die Band kurz vorm Festival verlassen hat. Stimmgewaltig, mit Beat, Bass und wohldosierten Percussions zaubern Nelly, Juliane, Silvana und Sabine Pop- und Rock-Songs auf die Bühne, die für sie persönlich den Soundtrack ihres Lebens bilden. Das ist A Cappella der Extraklasse – und so vielfältig wie die vier Frauen. Ob Pop oder Chansons, ob Rock oder Musical – es wird ein Abend, der das Leben feiert und den das Publikum auf dem Honberg abfeiert!

Fotos (c) Michael Kienzler

19. Juli
ROLF MILLER „OBACHT MILLER – SE RETURN OF SE NORMAL ONE” 

Die Zeiten mögen sich ändern, Miller, das Halbsatz-Phänomen, bleibt – trocken wie eh und je, in seiner unnachahmlichen Selbstgefälligkeit. Und er bleibt auch ein Publikumsmagnet: Der Abend ist lange im Voraus ausverkauft! Der begnadete Satiriker schenkt seinen Fans ein Chaos der verqueren Pointen, mal ums Eck, mal gerade, mit und ohne Dings, und empfiehlt: „Lehnen Sie sich einfach zurück, entspannen Sie in ihrem Kampfanzug, und atmen Sie locker aus der Hose – in die Tüte.“ Millers Humor geht nach wie vor von hinten durch die Brust, nach dem Prinzip des großen Philosophen Bobby Robbson: „Wir haben den Gegner nicht unterschätzt, wir haben nur nicht geglaubt, dass er so gut ist.“ Ein wunderbarer Abend mit Kabarett und Comedy unterm Sternenhimmel.

Fotos (c) Janika Mägerle, Patrick Nädele

20. Juli
PIPPO POLLINA „DUO TOUR 2021 – BEST OF“ 

Fast ein Heimspiel vor nahezu ausverkauftem Haus für den italienischen Cantautore und „Weltenbummler der Poesie“ (Passauer Neue Presse): Pippo Pollina liebt Tuttlingen und Tuttlingen liebt ihn. Erstmals ist er unter freiem Himmel zu Gast, und natürlich wird es ein Sommerabend wie gemalt. Neue und bekannte Lieder hat Pollina im Gepäck, begleitet wird der Wahl-Schweizer von Roberto Petrolli, der mit Saxofon und Klarinette brilliert. Kongenial das Zusammenspiel der beiden! Und die reduzierte Form tut der Wirkkraft seiner Lieder keinerlei Abbruch und unterstreicht, weshalb der charismatische Sänger und Musiker seit über drei Jahrzehnten zu den beliebtesten und erfolgreichsten italienischen Liedermachern gehört. Seine vielen treuen Fans in Tuttlingen überrascht er an diesem lauen Sommerabend auch mit Songs von seinem neuen, 2022 erscheinenden Album „Canzoni segrete“. Lyrische Balladen, poetische Protestliedern oder rockige Songs: Pollina hat viel zu sagen an diesem Abend.

Fotos (c) Patrick Nädele

21. Juli
HEINRICH DEL CORE „DAS BESTE UND MEHR“ 

Das neue Programm „Glück g’habt“ ist noch nicht fertig. Egal! Dafür gibt es ein „Best of“ auf dem Honberg vom Doppel-Gewinner der „Tuttlinger Krähe“. Darin geht es vor 500 Zuschauern (mehr lässt die Pandemie nicht zu) um Schnarch-Diskussionen im heimischen Schlafzimmer, um skurrile Urlaubserlebnisse und Bahnfahrten oder die Erfahrungen des Comedians bei der Darmspiegelung. Einen ganzen Abend lang unterhält der bestens aufgelegte Lokalmatador sein Publikum mit wahren und wahnwitzigen Begebenheiten des Alltags ganz vortrefflich. Heinrich Del Core hält dabei seinen Gästen den Spiegel vor, er fabuliert, philosophiert und nimmt sich und sein Publikum sympathisch und immer mit Stil und Anstand aufs Korn. Ein Volltreffer – und genau das, was nach den langen Corona-Monaten gut tut! 

Fotos (c) Michael Kienzler, Janika Mägerle

22. Juli
DEMON’S EYE „DEEP PURPLE IN ROCK“-TOUR 2021 

Zwei Jahre nach ihrem umjubelten Debut in der Stadthalle Tuttlingen rockt eine der besten Deep Purple Tribute Bands unserer Tage, Demon’s Eye, den Honberg. Zu hören gibt’s im ersten Konzertteil das komplette Album „Deep Purple in Rock“, eine der einflussreichsten Platten der Rockgeschichte. Im zweiten Teil gibt’s dann, vom zahlreichen Publikum euphorisch gefeiert, Songs aus dem Schaffen zweier legendärer Hardrockacts auf die Ohren: Klassiker von Deep Purple wie „Child in Time“, „Highway Star“, „Smoke On The Water“ oder „Burn“ und Rainbow-Hits aus deren Zeit mit Sänger Ronnie James Dio wie z.B. „Man Over The Silver Mountain“, „Catch The Rainbow“ oder „Stargazer“.Ein unvergessliches Erlebnis unterm Sternenhimmel und ein Abend an dem allenfalls stört, dass man auf Stühlen sitzen muss.

Fotos (c) Michael Schäfer, Paul und Tine Bossenmaier, Janika Mägerle

23. Juli
WOLFGANG NIEDECKEN „NIEDECKEN LIEST UND SINGT BOB DYLAN“

Ausverkauft! Was sonst? Wolfgang Niedecken präsentiert gemeinsam mit dem Pianisten Mike Herting ein kurzweiliges Storyteller-Programm, bei dem sowohl Dylan- wie auch BAP-Fans auf ihre Kosten kommen und das wohl nirgends besser hingepasst hätte als unter die sattgrünen Bäume auf dem Sonnen gefluteten, abendlichen Honberg. Niedecken zelebriert seine Nähe zu Bob Dylan, den er mehrmals persönlich getroffen hat, und zeigt sich als intimer Kenner von dessen Werk. Er streut starke Coverversionen von Dylan-Songs und BAP-Stücke zwischen die Textpassagen seines Buchs, das von seiner Reise auf den Spuren Dylans handelt und ihn kreuz und quer durch die USA führte. Höchst unterhaltsam und lebendig erzählt die kölsche Legende von seinen Treffen mit dem Literatur-Nobelpreisträger und Inspirationen, die er durch die Musik und die Texte von Bob Dylan erhalten hat. Besonders schön an diesem Abend: die Liebeserklärung des BAP-Frontmanns an den Honberg, den er als „eine der drei schönsten Locations, wo ich je aufgetreten bin“ bezeichnet. Und er beteuert: „Ich komme immer wieder, wenn Ihr mich einladet – ob alleine oder mit BAP!“

Fotos (c) Paul und Tine Bossenmaier

24. Juli
LETZTE INSTANZ „EHRENWORT“-TOUR 

Kaum ein freier Sitzplatz beim Auftritt der Deutsch rockenden Brachialromantiker von Letzte Instanz. Kein Wunder, schließlich haben die Dresdener nicht nur Maßstäbe für zahlreiche junge Bands des Gothic Rock gesetzt, sondern auch vor drei Jahren mit einem krachenden Doppelkonzert (mit Versengold) den Festivalabschluss zelebriert. Auf dem Honberg präsentieren sie sich auch als eine Band mit Haltung, mit Werten und mit starken Texten voller Tiefgang. Wie meint doch Frontmann Holly: „In einer Zeit des Auseinanderdriftens der Meinungen und der immer stärker polarisierenden Einteilungen in Schwarz und Weiß haben wir dieses Mal sehr viel Augenmerk auf die aktuell gerade sehr wichtigen Werte wie ‚Freundschaft’, ‚Community’ und ‚Zusammenhalt’ gelegt.“ Und dann krachen rockende Gitarrenriffs und gewaltige Drums und gehen eine Liaison mit romantischer Geige und Cello ein. Das Publikum feiert und erlebt eine Band auf dem Höhepunkt ihres Schaffens!

Fotos (c) Paul und Tine Bossenmaier, Janika Mägerle

25. Juli
„POPCORN“ – DAS HONBERG-SOMMER VARIETÉ 

Es muss arg improvisiert werden am letzten Festivalabend: Das Trapez neben der Freibühne zwischen die Bäume zu platzieren ist eine Herausforderung, die die Techniker meistern. Der Absolventenjahrgang 2021 der Staatlichen Artistenschule Berlin feiert das Wiederaufblühen des Kulturlebens mit einer großen Party, wild, bunt und circensisch! Bühne frei heißt es einmal mehr für die (mittlerweile 17.) Absolventenshow. Und die bietet faszinierende Körperkunst, Artistik, Tanz und mehr unter der Zirkuskuppel. Spielfreudig, poetisch, voller Charme und kraftvoll-Energie geladen zelebrieren die jungen Stars der Varietészene ihre Show. Die ist dabei auch explosiv und physisch. Jonglage, Luftartistik oder Bodenakrobatik, das gesamte Spektrum der artistischen Künste ist zu sehen und wird gefeiert! Eine schöne Sommernacht und ein wunderbarer, stimmungsvoller Abschluss fürs HOpe’n’Air 2021 … und danach kehrt für Wochen der Regen zurück im nassen Sommer 2021.

Fotos (c) Corinna Addicks, Janika Mägerle